Text von Patrick:

Ich erinnere die Zuckerbohnen auf der Anrichte, Süßigkeiten abends, von „Heinzelmännchen“ gebracht. Ein schwacher Protest des Jungen, als einmal eine Portion kleiner ausfällt. Der Vater steht böse am Fenster, ruft den Heinzelmännchen zu, undankbaren Kindern nichts mehr zu bringen. Die Heinzelmännchen haben gehorcht.

Liebe Clara,

vielen Dank für Deine Nachricht. Du hast ganz recht, darauf zu vertrauen, daß ich nicht überrascht bin über Deine Reaktion, darüber, daß Du mit einer Geschichte reagieren würdest. Aber gelesen habe ich sie noch nicht; dabei hatte ich sie extra ausgedruckt und in eine Mappe gelegt – verzeih mir bitte. Bald aber, ich verspreche es.

Diese Erinnerung von ihm an die Zuckerbohnen – sie bringt mich dazu, erst einmal an seiner Geschichte weiterzuschreiben:

Patrick war ein Junkie und er ahnte das. Er hatte längst kapituliert, und er hat es vor sich und aller Welt bekannt, teils betroffen, teils selbstironisch: Diese wunderbaren, geheimnisvollen, tödlichen Frauen hat er mehr geliebt, als sich selbst. Sie hat er überschätzt – sich selbst nicht genug. Und wie jeder Abhängige hatte er die destruktive Gabe, schlafwandlerisch sicher sein bittersüßes Gift zu finden, seine unverstandene Geschichte immer wieder aufzublättern. Wie ein eingebranntes Programm durchzog der rote Faden der Unmöglichkeit – seine Versuche, um Brot zu betteln bei Hungernden – sein Leben.

Ich weiß nicht mehr von den Anfängen, von seiner Kindheit, als er mir hinterlassen hat. Einmal in meinen Armen liegend, längst ein Mann, längst ein Wanderer zwischen den Welten, sprach er viel, aber nie davon. Er hatte die Grausamkeiten wohl selbst vergessen, oder es fehlten ihm die Worte dafür.

Er lebte wie gehetzt, wie auf der Flucht, immer „weg von“, selten „hin zu“; es dauerte lange, bis er stehenblieb. Ich wußte, daß er nicht bleiben würde, dass er nicht bleiben konnte; ich sah seine Wunden und seine Not – und ich sah seine Mühe, all das zu verbergen, um sich wieder in aussichtslose Kämpfe mit den Geistern der Vergangenheit zu stürzen, die ihm im Nacken saßen.

Dieser im Grunde sanfte Mensch war bewaffnet mit Worten und konnte sich doch nicht schützen, denn seine Sensibilität, wie eine Wetterfühligkeit des Herzens, blieb ohne Deckung. Und die gleichen Menschen, die ihn wegen dieser Vorzüge liebten, bohrten ihre Dolche in die vom Drachenblut unbenetzte Stelle, wann immer ihre eigenen Schwächen sie quälten.

Gruß,
Juliane