Liebe Clara,

nun habe ich Deine Geschichte gelesen und keine neuen Nachrichten von ihm – von Patrick im See -, aber ich glaube, er würde sagen:

Ich habe nie bis zur zweiten Nacht gewartet. Als ich jünger war nicht, heute – deutlich älter – ohnehin nicht; denn ich wusste nie, ob es eine zweite Nacht, eine zweite Chance geben würde. Und das stärkste Analgeticum für mein Leben war immer die Nacht und vor allem, wenn ich die Nacht nicht allein verbringen musste. Du beschreibst das plastisch genug, aber oft war die Wahrheit ekstatischer: So, als würde ich im See genug Ballast aufgenommen haben, der an Land zu bringen war; und so habe ich mich in ihren Schoss ergossen, unterdrückt schreiend, die Frau neben und unter mir beladen mit meinem Entsetzen und meiner ungestillten Sehnsucht, endlich den letzten Gang machen zu dürfen, endlich zu Hause zu sein.

Der See war immer stärker, und da ich wußte, dass hinter dem Ende des Endes des Sees kristallene Gebirge waren, bin ich überzeugt, eines Tages die schemenhafte Gestalt dort anzutreffen, vor der es kein Zurück mehr gibt. Es scheint noch zu dauern. Solange es dauert.

Würde er so sprechen? Mitunter höre ich seine Stimme so deutlich, ihren Klang, aber auch, wie er formuliert hat; und mir scheint, die Grenze zu ihm verschwimmt immer mehr. Und heute noch mehr als in seiner verlorenen Gegenwart.

Ich muß es Dir wohl nicht sagen, aber dennoch: Mit allem, was mir verborgen geblieben ist, schreibe ich in meiner Geschichte über ihn meine Wahrheiten, die er vielleicht – oder auf jeden Fall? – bestritten hätte. Denn meine Geschichte ist nur eine Geschichte und die Wahrheit war noch schlimmer. Offenbar hast Du davon einiges entdeckt und Verfremdetes nachverfremdet in Deiner Geschichte, auf sehr anspruchsvolle Weise.

Ich danke Dir dafür!
Juliane